Definition
Die Model View Definition (MVD), auf Deutsch als Modellansichtsdefinition bekannt, ist ein zentrales Konzept im Building Information Modeling (BIM). Als herstellerneutrale, computerinterpretierbare Definition unterstützt die MVD die spezifischen Datenaustausch-Anforderungen im Bauwesen während eines Bauvorhabens. MVDs sind ein Schlüsselelement der IFC-Spezifikation (Industry Foundation Classes) und fungieren als Subsets dieser umfassenderen Datenmodelle, um den Informationsaustausch gezielt zu steuern. In diesem Glossareintrag werden wir tiefgehend auf den Zweck, die Funktion und die Bedeutung der MVD im modernen Bauwesen eingehen.
Einleitung: Was ist die Model View Definition?
Die Model View Definition (MVD) beschreibt präzise, welche Teile eines Gebäudemodells für einen bestimmten Anwendungsfall benötigt werden. Sie definiert die Teilmengen des IFC-Datenmodells, die für spezifische Prozesse, wie die Bauplanung, Bauausführung oder den Betrieb eines Gebäudes, erforderlich sind. Indem die MVD als eine Art Filter fungiert, stellt sie sicher, dass nur die notwendigen Informationen ausgetauscht werden, um die Effizienz und Genauigkeit des Datenaustauschs zu maximieren.
Technischer Hintergrund und Einordnung
Die MVD basiert auf der IFC-Spezifikation, einem offenen, internationalen Standard für den Austausch von Bauwerksinformationen. IFC wurde entwickelt, um die Interoperabilität zwischen verschiedenen BIM-Softwareanwendungen zu fördern, und ist als universelles Format konzipiert, das alle notwendigen Informationen eines Bauwerksmodells abbildet. Die MVD greift hier ein, indem sie festlegt, welche spezifischen Klassen, Attribute und Beziehungen innerhalb des IFC-Schemas für einen bestimmten Anwendungsfall relevant sind. Dies macht die MVD zu einem integralen Bestandteil des Information Delivery Manual (IDM), das den strukturierten Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Beteiligten eines Bauprojekts definiert.
Zweck und Funktion von MVDs
Der Hauptzweck einer Model View Definition besteht darin, die Relevanz und Effizienz des Informationsaustauschs in BIM-Prozessen zu verbessern. Indem MVDs nur die für einen bestimmten Anwendungsfall notwendigen Daten filtern, reduzieren sie die Datenmenge, die zwischen verschiedenen Softwareanwendungen ausgetauscht werden muss. Dadurch wird der Austausch von irrelevanten oder überflüssigen Informationen vermieden, was zu einer klareren und effizienteren Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten führt.
Ein praktisches Beispiel hierfür ist der Austausch von Gebäudedaten zwischen einem Architekten und einem Tragwerksplaner. Während der Tragwerksplaner möglicherweise nur an den tragenden Strukturen eines Gebäudes interessiert ist, könnte der Architekt auch Informationen zur Innenausstattung oder den technischen Anlagen besitzen. Eine entsprechende MVD würde sicherstellen, dass nur die für den Tragwerksplaner relevanten Daten, wie die Positionen und Materialien von tragenden Wänden oder Säulen, übermittelt werden.
Beispiele für MVDs und ihre Anwendung
Es gibt verschiedene MVDs, die jeweils auf spezifische Anforderungen und Prozesse innerhalb des Bauwesens abgestimmt sind:
- IFC2x3 Coordination View 2.0: Diese MVD wird häufig für die Koordination und Kollisionsprüfung verwendet. Sie umfasst nur die Daten, die für diese Zwecke notwendig sind, wie z.B. die Geometrie und Position der tragenden Strukturen eines Gebäudes.
- IFC2x3 FM Handover View: Diese MVD konzentriert sich auf die Übertragung von Daten, die für das Facility Management und die Instandhaltung nach der Bauausführung von Bedeutung sind. Dazu gehören beispielsweise Informationen über die verbauten Materialien und Wartungsintervalle.
- IFC4 Reference View: Diese MVD ermöglicht den Austausch von Referenzmodellen, die primär für Visualisierungs- und Überprüfungszwecke gedacht sind, ohne dass diese bearbeitet werden sollen. Sie ist besonders nützlich, wenn es darum geht, ein Modell zu betrachten, ohne es zu ändern.
- IFC4 Design Transfer View: Diese MVD erleichtert den Austausch von Designinformationen, die weiter bearbeitet oder angepasst werden müssen. Sie ist besonders in der frühen Planungsphase eines Bauprojekts von großer Bedeutung.
Vorteile der Verwendung von MVDs
Die Nutzung von MVDs bringt zahlreiche Vorteile mit sich:
- Gezielter Datenaustausch: Durch die Fokussierung auf die relevanten Informationen wird der Datenaustausch präziser und zielgerichteter. Dies reduziert die Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen und Fehlern, die durch den Austausch unnötiger oder irrelevanter Daten entstehen können.
- Effizienzsteigerung: Da nur die notwendigen Informationen ausgetauscht werden, können Daten schneller verarbeitet und interpretiert werden. Dies führt zu einer Beschleunigung der Arbeitsprozesse und einer Verringerung des Arbeitsaufwands.
- Unterstützung der Software-Zertifizierung: MVDs helfen bei der Zertifizierung von BIM-Software, indem sie festlegen, welche Klassen und Attribute innerhalb des IFC-Schemas korrekt verwaltet werden müssen, um als kompatibel zertifiziert zu werden.
Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen
Trotz der zahlreichen Vorteile stehen MVDs vor Herausforderungen. Eine der größten Hürden besteht in der begrenzten Implementierung in vorhandener BIM-Software. Nicht alle Softwarelösungen sind in der Lage, MVDs vollständig zu unterstützen, was zu Inkonsistenzen und Komplikationen beim Datenaustausch führen kann.
Ein weiteres Problem ist das mangelnde Bewusstsein und Verständnis für die Möglichkeiten, die MVDs bieten. Viele Fachleute im Bauwesen kennen die Vorteile der MVD nicht oder nutzen sie nur eingeschränkt, was zu ineffizienten Arbeitsabläufen führen kann.
Zukünftige Entwicklungen könnten diese Herausforderungen durch verbesserte Softwarelösungen und breitere Bildungsinitiativen überwinden. Mit der Weiterentwicklung des IFC-Standards und der zunehmenden Verbreitung von BIM könnten MVDs eine noch wichtigere Rolle bei der Förderung der Interoperabilität und Effizienz im Bauwesen spielen.
Fazit
Die Model View Definition ist ein essenzielles Werkzeug im Building Information Modeling, das den gezielten und effizienten Austausch von Bauwerksinformationen ermöglicht. Durch die Definition spezifischer Teilmengen des IFC-Datenmodells stellt die MVD sicher, dass nur die relevanten Daten zwischen den Projektbeteiligten ausgetauscht werden, was zu einer Steigerung der Effizienz und Qualität im Bauprozess führt. Trotz der bestehenden Herausforderungen bietet die MVD ein enormes Potenzial zur Verbesserung der Interoperabilität und der Datenintegrität im Bauwesen, was sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil moderner Bauprojekte macht. Mit zunehmender Weiterentwicklung und breiterer Akzeptanz wird die MVD in Zukunft eine noch größere Bedeutung erlangen und das Bauwesen nachhaltig prägen.