• 21. Feb 2023
  • Dajana Stütze

Innovation durch Kooperation

Teamwork, Zusammenarbeit, Innovation durch Kooperation

Wie die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und KMU in der Bauindustrie gemessen werden kann

Kurzbeschreibung

Die Masterarbeit von Dajana Stütze mit dem Titel “A framework to define objectives for cooperation between startups and SMEs – Potentials of cooperation demonstrated by the German construction industry” beschäftigt sich mit der Frage, wie der Erfolg von Kooperationen zwischen Start-ups und mittelständischen Bauunternehmen gemessen werden kann. Die Arbeit befasst sich mit Open-Innovation-Methoden und der Bedeutung der Definition gemeinsamer Ziele in Innovationspartnerschaften. Das “CIFOSS-Framework” wird als Modell für erfolgreiche Innovationspartnerschaften zwischen Start-ups und KMUs in der Bauindustrie vorgestellt, wobei kulturelle Unterschiede und die Auswirkungen globaler Entwicklungen wie der Digitalisierung auf F&E-Aktivitäten berücksichtigt werden. Der Rahmen basiert auf einer Literaturrecherche und empirischen Untersuchungen, die Interviews mit Experten in Start-ups und mittelständischen Unternehmen umfassen.


Einleitung

Mittelständische Industrieunternehmen stehen vor der Herausforderung der zunehmenden Digitalisierung. Dabei reicht es nicht mehr aus, sich mit der bloßen Übersetzung von analogen Prozessen in digitale Werte zu beschäftigen. Vielmehr erfordern datengetriebene Marktumgebungen ein grundlegendes Überdenken von Geschäftsmodellen.

Digitale Werkzeuge bieten die Möglichkeit, erhebliche Kosten- und Effizienzvorteile zu generieren, die jedoch für traditionelle KMU aufgrund mangelnder technologischer Kenntnisse nur schwer zu erschließen sind. Kooperative Netzwerke schaffen neue Möglichkeiten der Wertschöpfung, und Partnerschaften innerhalb dieser Netzwerke können symbiotische Vorteile bringen.

Während sich die vorhandene Literatur über Kooperationen hauptsächlich auf die Absicht großer Unternehmen konzentriert, durch die Aufteilung der Kosten und Risiken von Innovationstätigkeiten mit ihren Partnern Einsparungen zu erzielen, gibt es nur wenige Forschungsarbeiten, die sich auf die Zusammenarbeit zwischen Mittelständlern und Start-ups beziehen. In Niedrigtechnologiebranchen können KMU einen Wettbewerbsvorteil entwickeln, indem sie externes Wissen in ihre Prozesse integrieren. Die Beteiligung an der kooperativen Innovation ist für sie eine strategische Entscheidung.

Konkret bedeutet dies, dass neue Marktdynamiken, die durch Trends wie die Digitalisierung oder die Entwicklung der Nachhaltigkeit, aber explizit in der Bauwirtschaft auch durch den Fachkräftemangel getrieben werden, das Unternehmen zwingen, das eigene Geschäftsmodell zu hinterfragen.

Neue Technologien und die Digitalisierung helfen dabei, kommerziellen Wert zu schaffen, aber es sind die notwendigen Fähigkeiten und ein tiefes Verständnis der Wertschöpfung im digitalen Raum erforderlich (Vanhaverbeke, Wim & Vermeersch, Ine & Zutter, Stijn, 2012). Dies spielt eine primäre Rolle bei der Überlegung von KMU, innovationsfördernde Partnerschaften einzugehen: das Wissen der Gemeinschaft zu integrieren, um interne strategie- und geschäftsmodellbezogene Ziele zu realisieren.

Das große Potenzial für Start-ups, ihre Innovationen zu kommerzialisieren, liegt in der Zusammenarbeit mit Mittelständlern, die als “Hidden Champions” oft Marktränder oder Nischenmärkte beherrschen. Neue Technologien wachsen in der Regel nicht in den Mainstream-Märkten, sondern fangen klein an. Die besten Chancen für Start-ups ergeben sich daher in einem engeren Umfeld, das ihnen die Möglichkeit bietet, ihr Produkt zu optimieren und gleichzeitig ihr Netzwerk und ihren Einfluss kontinuierlich zu erweitern.

Gekoppelter Innovationsprozess

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Bild 1: CIFOSS, Teil 1: Entkoppelter Prozess der Innovation
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gassmann & Enkel, 2004; Wolf et al., 2021b

In Anlehnung an Wolf et al. veranschaulicht diese Abbildung den entkoppelten Innovationsprozess. Demnach besteht eine Innovation aus drei Phasen: Ideenfindung, Erfindung und Verbreitung. Eine Innovation liegt nur dann vor, wenn alle Phasen erfüllt sind. So kann eine Erfindung, die keine breite Masse in der Gesellschaft erreicht oder nicht für ihren Zweck genutzt wird, nicht als Innovation bezeichnet werden, selbst wenn sie disruptiv ist.

In diesem vorgeschlagenen Konzept beschreibt Ideation die Phase der ursprünglichen Idee, die Überlegung, wie eine Lösung für ein bestimmtes Problem entwickelt werden kann. Die Erfindung ist die Phase, in der diese Idee in die Realität umgesetzt wird. In dieser Phase wird das Produkt oder das eigentliche Konzept des späteren Angebots geschaffen. In der Diffusionsphase wird die zuvor produzierte Dienstleistung oder das Produkt vertrieben und gegen Geldwert getauscht.

In einer Weiterentwicklung des von Wolf et al. vorgestellten Konzepts werden Ideengenerierung (Lernen) und Erfindung (Vermögenswert) zu einer gemeinsamen Wissensschaffungsphase zusammengefasst. Erfindung und Verbreitung (Kommerzialisierung) werden wiederum zur Vermögensbildung zusammengefasst. Wissensschaffung und Vermögensbildung bilden zusammen die Wertschöpfung.

Die Differenzierung wurde von der Autorin so vorgenommen, dass das Konzept des entkoppelten Innovationsprozesses von Gassmann und Enkel illustriert werden kann. In der hier erarbeiteten Theorie ist es so, dass der Ort der Wissensschaffung ungleich dem Ort der Kommerzialisierung sein kann, damit eine Innovation zustande kommt. Konkret bedeutet das für diese Arbeit, dass die Idee nicht direkt an dem Ort entstehen muss, an dem die Erfindung in die Realität umgesetzt wird. Außerdem muss die Verbreitung nicht zeitlich mit der Ideenfindung und der Produktion der Erfindung zusammenfallen.

Dieses Konzept bildet die Grundlage für die Zusammenarbeit der verschiedenen Parteien innerhalb eines Innovationsprozesses. Daher ist es von grundlegender Bedeutung, dass der Innovationsprozess so aufgeteilt werden kann, dass verschiedene Partner daran teilnehmen können.

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Bild 2: CIFOSS-Rahmen, Teil 2: Gekoppelter Innovationsprozess
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Theorien aus  Gassmann & Enkel, 2004; Wolf et al., 2021b

Dieses Schema zeigt die theoretische Grundlage für den Zielsetzungsrahmen, der das Ziel der Arbeit ist. Das Cooperative Innovation Framework of Start-ups and SMEs (CIFOSS) ist eine Theorie, die auf der Grundlage der drei Archetypen der Open Innovation nach Gassman & Enkel entwickelt wurde.

In der Literatur ist das Konzept bereits speziell für die Zusammenarbeit zwischen KMU und Start-ups entwickelt worden. Es behandelt jedoch nur den Outside-in-Prozess sowie den Inside-out-Prozess aus der Perspektive des KMU. Es beschreibt nicht den gekoppelten Prozess, der eine zentrale Komponente in der Theorie der Open Innovation ist.

An dieser Stelle wurde eine Lücke in der Wissenschaft festgestellt. Ein Vorschlag, diese Lücke zu schließen, wird hiermit vorgestellt. Die Grafik zeigt einen entkoppelten Innovationsprozess, in dessen Zentrum sowohl das mittelständische Unternehmen als auch das Start-up als Kooperationspartner stehen.

Beide Akteure erhalten eine kurze Beschreibung ihrer wertvollsten Vorzüge gegenüber dem anderen, jeweils aus ihrer eigenen Sicht. Dazu gehören die Erkenntnisse, die aus der Inside-Out-Wahrnehmung der Interviewpartner auf ihr Geschäft gezogen werden konnten. Für die KMU sind dies das Branchen-Know-how, die angesehene Unternehmensmarke, das Netzwerk, der Marktzugang, die Praxisnähe, die Erfahrung und die historische Datenerhebung sowie die Stabilität des KMU aufgrund der langjährigen Existenz und Struktur.

Die Kernkompetenzen des Start-ups sind die technologischen Fähigkeiten, die Agilität oder Flexibilität und die Risikoaffinität.

Auf der linken Seite, während der Ideenfindung, stützt sich das KMU auf externe Ressourcen, z. B. durch FuE-Partnerschaften, Spin-off-Unternehmen, Fusionen und Übernahmen oder den Zugang zu Innovationsclustern, zu denen auch Start-ups gehören. Für das KMU stellt die Ideenfindungsphase einen Outside-in-Prozess dar, da hauptsächlich Wissen und Fähigkeiten von außen integriert werden.

Unten rechts, ausgehend vom Start-up, findet die Diffusionsphase statt. In dieser Phase wird die Kommerzialisierung der Erfindung durch die Unterstützung beim Verkauf der Innovation oder des geistigen Eigentums durch technologische Multiplikatoren, durch die Anwendung im Tagesgeschäft und durch den Marktzugang des Partners erreicht. Für ein Start-up stellt die Diffusion einen Inside-Out-Prozess dar, da es selbst über das innovative Know-how verfügt, ihm aber das Netzwerk und die Marktreife fehlen, um es zu vermarkten.

Der gekoppelte Prozess zeigt nun, wie diese Prozesse in einer Kooperation kombiniert werden können, in der beide Partner ihre Stärken einbringen und ihre Schwächen kompensieren können. Das mittelständische Unternehmen ermöglicht es dem Start-up, Produkte nahe an den Kundenbedürfnissen zu entwickeln, was mit dem Branchenwissen, aber vor allem mit der praktischen Nähe zu den tatsächlichen Marktbedürfnissen und den historischen Daten zusammenhängt. Darüber hinaus sind mittelständische Unternehmen in der Baubranche sehr gut vernetzt und können dem Start-up das “right to play” gewähren.

Im Gegenzug kann das Start-up bei der Integration der eigenen Best Practices mit digitalen Technologien dienen und die Implementierung der Softwarelösungen begleiten. Dabei können Anpassungen an die spezifischen Bedürfnisse des KMU vorgenommen werden. Aufgrund des Charakters des Start-ups bringt es ein hohes Maß an Schnelligkeit und Flexibilität mit sich und ermöglicht es dem mittelständischen Unternehmen, sich für das sich schnell entwickelnde Umfeld zu rüsten.

Diese theoretische Grundlage zeigt, dass sich Start-ups und mittelständische Unternehmen in der Erfindungsphase einer Innovation insofern ergänzen können, als sie die Stärken des jeweils anderen nutzen können, um eine wertvollere Lösung zu schaffen, als sie es alleine könnten.

Während das Start-up die größten Stärken bei der Ideenfindung hat und das KMU einen deutlichen Vorteil in der Verbreitungsphase bietet, können beide in der Erfindungsphase symbiotisch zusammenarbeiten. Hier findet die eigentliche Zusammenarbeit statt, für die der Zielrahmen entwickelt wird. Aus diesem Grund wird in der nächsten Abbildung detailliert dargestellt, was sich in der Blackbox “Erfindung” befindet.

Praktische Auswirkungen: Das CIFOSS-Modell

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Bild 3: CIFOSS-Rahmenwerk, Teil 3.1: Kooperationsprozess
Quelle: Eigene Darstellung

Die in diesem Abschnitt gezeigte Grafik ist ein zentraler Bestandteil des CIFOSS-Frameworks. Auf einzelnen Zeitleisten sowie einer gemeinsamen Zeitleiste werden die jeweiligen Aktivitäten von KMU und Start-ups bis zur Umsetzung der Innovation dargestellt. Auf der linken Seite sehen wir den Prozess des mittelständischen Unternehmens, das das Ziel verfolgt, mit dem technologischen Wandel Schritt zu halten und externe IT-Expertise in den eigenen Innovationsprozess zu integrieren.

Idealerweise sollte dies mit einer genauen Übersicht über die Prozesse des Unternehmens beginnen. In einem ersten Schritt ist eine Prozessanalyse durchzuführen und es sind Kostenfaktoren und Ineffizienzen aufzudecken. Dazu gehören Gespräche mit den Mitarbeitern auf allen Ebenen, damit die Probleme bottom-up erfasst und betrachtet werden können. Als Ergebnis der Identifizierung von Effizienzengpässen empfiehlt es sich, Anwendungsfälle abzugrenzen, für die explizite Lösungen gesucht und entwickelt werden können.

Natürlich ist es das übergeordnete Ziel, ein ganzheitliches System für alle betrieblichen Abläufe zu implementieren, aber das kann man nicht in einem Schritt tun. Daher betont die Autorin an dieser Stelle noch einmal, wie wichtig es ist, einen präzisen Anwendungsfall zu definieren, um ein Projekt zu starten, das das KMU nicht von Anfang an überfordert, sondern ein organisches Wachstum innerhalb der Organisation ermöglicht.

Sobald die Schwachstellen identifiziert sind, werden die ersten Ideen entwickelt und herausgefiltert. Dies sollte zum einen auf internen Bedürfnissen basieren, zum anderen sollte eine regelmäßige Trendbeobachtung der technologischen Entwicklungen im Umfeld berücksichtigt werden. Dies kann z. B. über eine Trendmanagement-Plattform erfolgen.

Aus den vorgestellten Ideen und den potenziellen Partner-Start-ups wird dann dasjenige ausgewählt, das am besten passt und mit dem der Kooperationsprozess beginnt. Auf Seiten des Start-ups geht es darum, ein optimiertes Produkt nahe an den Kundenbedürfnissen zu schaffen, mehr Sicherheit in einem VUCA-Umfeld zu haben und das Netzwerk und die Referenz des Partnerunternehmens nutzen zu können.

Der individuelle Prozess beginnt mit dem Sammeln von Wissen im Bereich des Bauwesens und Gesprächen mit operativ tätigen Personen. Natürlich ist der primäre Geschäftszweck des Start-ups die Softwareentwicklung, dennoch wird von Mittelständlern ein gewisses Branchenwissen in der Baubranche erwartet. Mit diesem Allgemeinwissen sollte der Unternehmer auch in der Lage sein, die Schmerzpunkte der Branche zu erkennen und darauf aufbauend eine Vision zu entwickeln, die eine Lösung für diese Schmerzpunkte bietet.

Mit dieser Vision einer Lösung kann die Entwicklung eines Prototyps begonnen werden. Oft sind diese Visionen jedoch sehr anspruchsvoll und lassen sich nicht von der Theorie auf die Praxis übertragen. Deshalb sollte so früh wie möglich die Zusammenarbeit mit einem industrieerfahrenen Partner gesucht werden. Dann kann die Produktentwicklung nah an den Bedürfnissen der Branche und des Kunden erfolgen. In der Zwischenzeit sollten Selbstdarstellungsaktivitäten zur Steigerung der Sichtbarkeit nicht vernachlässigt werden. Der regelmäßige Austausch mit anderen Marktteilnehmern ist daher unerlässlich.

Im Wesentlichen lassen sich die beiden Aktivitätsstränge der Mittelständler und der Start-ups insofern voneinander unterscheiden, als die mittelständischen Unternehmen innerhalb der Kooperation auf die Aufnahme (Adoption) ausgerichtet sind, während sich die Start-ups auf die Anpassung (Adaption) konzentrieren.

Der Prozess der Aufnahme oder Anpassung wird in regelmäßigen Sprintsitzungen mit den Partnern überprüft. Die überprüften Entwicklungen basieren auf den zuvor in drei Kooperationsschritten definierten Zielen. Der erste Kontakt beider Partner findet über Netzwerkveranstaltungen, Messen und Konferenzen, Arbeitsgruppen und Begegnungsplattformen statt und endet in Get-togethers, bei denen das genauere Konzept der Zusammenarbeit besprochen und Möglichkeiten evaluiert werden.

Sobald diese Phase abgeschlossen ist, sollte ein projektbezogener Vertrag unterzeichnet werden, um die Partnerschaft abzusichern. In diesem Leitbild sollten Grundregeln festgelegt, Kapazitäten und Grenzen erörtert, die Erwartungen beider Partner zusammengeführt und Meilensteine für die Zielerreichung festgelegt werden. In den regelmäßigen Treffen wird der Fortschritt der Zielerreichung anhand der Meilensteine gemessen, so dass die Implementierung des neuartigen Softwaretools Schritt für Schritt erreicht werden kann.

Teamwork, Zusammenarbeit, Innovation durch Kooperation

Autor

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Dajana Stütze ist Absolventin des integrierten Masterstudiengangs International Management der HWR Berlin und der ESCE Paris und derzeit bei Simon-Kucher Engine (Berlin) als Projektmanagerin in der Softwareentwicklung tätig. Ihre bisherige Laufbahn ist geprägt von interkulturellen Erfahrungen im Rahmen des Studiums und ihrer Tätigkeit in der Unternehmensberatung, sowie von Themen rund um Innovation, Technologie und Unternehmertum. In ihren wissenschaftlichen Arbeiten bringt sie diese mit ihrer Leidenschaft für das deutsche Baugewerbe zusammen.

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