• 10. Jul 2023
  • Florian Techel

Von einem, der auszog, ein Haus zu bauen

Haus Florian Techel, Rendering

Vorbemerkung

Der Autor beschäftigt sich seit seinem Architekturstudium in den 1980er-Jahren intensiv mit dem digitalen Gebäudeentwurf. Von 1992 bis 2020 unterrichtete er in verschiedenen Lehrtätigkeiten in Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) insgesamt ca. 2.000 Studenten im Umgang mit Bau-CAD und Building Information Modeling (BIM).

Vorermittlungen

Bereits im Frühjahr 2019 wurde mir klar, dass ich meine Lehrtätigkeit in den VAE beenden und daher meinen Vertrag nicht verlängern wollte. In Deutschland plante ich, mir ein Haus zu bauen. Da ich das Gebäude als KfW 40 Plus-Haus auslegen, keine Feuerstellen im Haus haben und alles elektrisch betreiben wollte, war schnell klar, dass auch das neue Auto batterieelektrisch betrieben sein sollte. Das Auto wurde im Frühjahr 2019 bestellt, und ich durfte es schon 21 Monate später in Dresden abholen.

Im Sommerurlaub 2019 unternahm ich eine Bahnfahrt in die Kreisstadt zur Unteren Bauaufsicht, um allgemeine Fragen zu klären, z. B., wie lange die Bearbeitung eines Bauantrags dauern würde. „6 Monate“, war die Antwort, was mir lang vorkam. In Dubai kann man sich bei der Stadtplanungsbehörde beschweren, wenn die Baugenehmigung länger als 14 Tage dauert. Sicher, die Baugesetzgebung ist dort ein klein wenig einfacher gestrickt …

Ich klärte auch die Konstruktionsmethode: Brettschichtsperrholz in Wanddicken zwischen 10 und 16 cm und Deckendicken von 18 cm. Das Satteldach hat eine Dicke von 16 cm. Das alles bezeichnet natürlich nur die Dicke der Tragschicht.

BrettschichtsperrholzBrettschichtsperrholz (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Dämmungen und Aufbauten kamen noch hinzu. Die Wand-, Decken- und Dachpaneele würden in Augsburg zugeschnitten, auf mehreren Tiefladern zur Baustelle gebracht und dort von einem für eine Woche gemieteten Fahrkran sofort an die richtigen Stellen gehoben. Ich fand einen Zimmerermeister in der Nähe, der mit diesem Bausystem umgehen konnte und bereit war, das Haus im Rohbau hinzustellen.

Er empfahl mir eine Fensterbaufirma aus dem Norden Hessens, die hochgedämmte Fenster herstellte. Über den Zimmerermeister kam ich auch in Kontakt zu einem Installateurmeister, der die Heizungsanlage und Wasserarmaturen installierte, und zu einem Elektriker, der hervorragende Arbeit leistete. Meine Energieplanerin empfahl mir schließlich eine Firma für den Innenausbau.

Erstellen des BIM-Modells

Zurück in Dubai nutzte ich die Abende und Wochenenden, um das 3D-Modell des Hauses in der BIM-Software eines ungarischen Herstellers anzulegen. Endlich konnte ich mich selbst von den Vorteilen des Building Information Modeling überzeugen, das ich meinen Studenten und Studentinnen immer angepriesen hatte. Und tatsächlich ließen sich viele Probleme, die beim Entwerfen auftreten, leicht durch Anlegen einer neuen Schnittebene oder durch eine dreidimensionale Schnittführung lösen.

Grundriss ErdgeschossGrundriss Erdgeschoss, Axonometrie (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

 

QuerschnittQuerschnitt, Axomometrie (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

 

LängsschnittLängsschnitt, Axonometrie (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

 

Building Energy ModelBEM (Building Energy Model) (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Erzeugen des BEM

In derselben Software ließ sich aus dem BIM vergleichsweise leicht ein BEM (Building Energy Model) entwickeln, mit dem sich das thermische Verhalten des Gebäudes über das Jahr relativ leicht und effektiv simulieren ließ. Allerdings bin ich kein zertifizierter Energieberater/-planer.

EnergieverbrauchAutomatische Auswertung des Energieverbrauch und -gewinn (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

 

TabulierungAutomatische Tabulierung der Raumflächen und -volumina (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Ankommen in der Realität

Leider hatte die sehr freundliche und sehr kompetente Energieplanerin weder für BIM noch BEM eine Verwendung. Was sie von mir wollte: Grundrisse, Ansichten, Schnitte sowie diverse Flächenberechnungen und Materialkennwerte. Diese konnte ich alle dank meines 3D-Modells leicht bereitstellen. Dennoch war ich etwas frustriert ob des Datenaustauschs aus dem vorherigen Jahrhundert.

Untere Bauaufsicht

Die Baubehörde bestand auf dem Ausfüllen unzähliger Formulare, die alle im PDF-Format auf einem zentralen Server des Bundeslandes vorrätig sind. Leider wurden der Domain-Name des Serves sowie die eigentlich notwendigen Formulare von der Behörde wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Wie die Angelsachsen zu sagen pflegen: „Zähneziehen ist einfacher!“

Kann es sein, dass die Schmallippigkeit der Bauaufsicht in Bezug auf die notwendigen PDF-Dokumente Methode hat? Auf diese Weise kann die Behörde leicht die Hintertür offenhalten, um festzustellen, man hätte das falsche Formular ausgefüllt.

Im Bauantrag bestand die eigentliche Gebäudedokumentation aus A3-Papieren (80 gr/m2, Kopierpapier): Lageplan, Grundrisse, Ansichten, Schnitte, Be- und Entwässerungsplan, Flächenberechnungen usw. Alle Unterlagen mussten in jeweils drei Kopien eingereicht, vom Bauherren und Architekten unterschrieben und vom Architekt zusätzlich mit einem Bürostempel versehen werden. Alle Unterlagen musssten entweder persönlich zum Landratsamt gebracht oder mit Kurier hingeschickt werden, um eine Eingangsbestätigung zu erhalten. Genau so, wie man das auf dem Amt seit etwa 100 Jahren macht.

Die Sachbearbeiterin auf dem Amt hatte mir im Sommer 2019 noch (etwas widerwillig) mitgeteilt, dass es in meinem Bundesland auch das sogenannte Beschleunigte Verfahren gibt. Hierbei schuldet mir die Untere Bauaufsicht innerhalb eines Monats einen Bescheid (wohlgemerkt einen Bescheid, keine Genehmigung).

So reichte mein Architekt Ende November 2019 meinen Bauantrag ein. Ich rechnete Anfang Januar 2020 mit der Genehmigung, denn der Architekt und ich waren uns sicher, dass wir (wegen BIM) alles richtig gemacht und alle Auflagen übererfüllt hatten. Ich hatte im Formular nicht nur ausgefüllt, dass sich die nächstgelegene Löschwasserentnahmestelle (Hydrant) weniger als 180 Meter vom geplanten Haus entfernt befindet, sondern sogar in einem Lageplan die Position der Hydranten im Verhältnis zum Haus genau vermerkt.

Anfang 2020 kam tatsächlich der Bescheid. Er enthielt aber keine Genehmigung, sondern eine lange Liste mit Nachforderungen. Zum Beispiel wollte die Mitarbeiterin wissen, ob es sich beim Gästezimmer um eine private oder gewerbliche Nutzung handle. Mein Anruf bei der Unteren Bauaufsicht und mein Verweis darauf, dass das Haus in einem reinen Wohngebiet (WR) stehen wird und dass dort eine gewerbliche Nutzung gar nicht zugelassen sei, reichte nicht aus. Das müsse ausdrücklich im Plan vermerkt sein.

Merkwürdigerweise betraf diese Forderung nur das Gästezimmer. Beim Wohnzimmer, Schlafzimmer und den anderen Wohnräumen stellte sich für die Baubehörde diese Frage nicht.

Wir mussten einen zweiten Bauantrag ausfertigen. Langer Rede kurzer Sinn: Auch in diesem zweiten Bauantrag fand die zuständige Sachbearbeiterin noch diverse Fehlstellen. Die Baugenehmigung wurde schließlich Mitte Mai 2020 erteilt – ziemlich genau sechs Monate nach dem Einreichen des ersten Antrags.

Statiker

Sehr zu meiner Verwunderung wollte der Statiker von mir Grundrisse, Ansichten, Schnitte und Axonometrien haben. Daraus würde er in seiner Statiksoftware ein 3D-Modell erstellen. Ich besaß ein 3D-Modell, doch er forderte die 2D-Daten ein, um daraus sein eigenes 3D-Modell zu entwickeln. Entdecken Sie den Fehler!

Zimmerermeister, Bauunternehmer

Ursprüngliche Terminplanung: Baugenehmigung Januar/Februar 2020, Baubeginn im Frühjahr 2020, Fertigstellung Ende 2020. Diese war mittlerweile dank der Gründlichkeit der Unteren Bauaufsicht völlig über den Haufen geworfen. Die Einschränkungen der Covid-19-Pandemie taten ihr übriges. Ich hatte schon beinahe aufgegeben, zu glauben, dass der Bau 2020 beginnen würde. Umso größer war meine Erleichterung, als mir der Zimmerer mitteilte, dass er der Meinung sei, den Rohbau noch im Jahr 2020 errichten zu können.

Wegen der großen Eile konnten sein Techniker und ich die Möglichkeit des Datenaustausch über das Datenaustauschformat IFC (Industry Foundation Classes) nicht ausreichend testen. Beim ersten Versuch funktionierte der Austausch leider nicht. Wir entschieden uns, die Daten als 2D-Zeichnungen über das DWG Format zu übergeben (Grundrisse, Ansichten, Schnitte).

Dabei kam es zu einem kleinen Missverständnis, das ich beim Korrekturlesen zu spät bemerkte. Da waren die Brettschichtsperrholzplatten aber schon im Zuschnitt. Wenn Sie mich besuchen und ich guter Laune bin, zeige ich Ihnen vielleicht den Fehler.

Banker

Mein sehr netter Banker wollte von mir ebenfalls Grundrisse, Ansichten, Schnitte und Flächenberechnungen haben. Ihm genügten die PDF-Dateien. Das 3D-Modell schaute er sich auf meinem Tablet freundlich interessiert an, aber das war’s auch schon.

Installateur, Elektriker

Der Installateur wie auch der Elektriker wollten 2D-Pläne in Form von Grundrissen, Schnitten und (Innen-)Ansichten. Das tat der Qualität der einzelnen Arbeiten keinen Abbruch. Insbeso“Wollen Sie nicht hier?“ oder „Haben Sie daran gedacht?“), die bei mir die beschämte Reaktion hervorriefen: „Nein, daran habe ich nicht gedacht, aber ganz herzlichen Dank, dass Sie mich darauf hingewiesen haben!“

Innenausbau

Die Innenausbaufirma, die ich zugegebenermaßen erst beauftragt hatte, als der Rohbau bereits stand, wollte auch nur Grundrisse und Innenansichten sowie meine Flächenberechnungen. Sie machte dann aber sicherheitshalber noch mal ein eigenes Aufmaß.

Wasseranschluss

Die vom Wasser-Zweckverband beauftragte Installationsfirma wollte lediglich die Position des Frischwassereinspeise- und Schmutzwasserübergabepunkts wissen. Alles andere machten sie selbst.

Einfamilienhaus von Florian Techel, Rendering und reales Haus
Einfamilienhaus von Florian Techel. Links: 3D-Rendering für die BIM-Planung, rechts: realisiertes Gebäude (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Abschließende Bemerkungen

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Beim Bau eines Einfamilienhauses ist zurzeit der Datenaustausch vollständig konventionell papierbasiert inklusive des digitalen Äquivalents. Für den Autor war die Verwendung einer BIM-Software dennoch aus zwei Gründen von Vorteil:

  1. Ständige Qualitätskontrolle während des Entwurfsprozesses. Geometrische Unklarheiten oder mögliche Konflikte zwischen Gewerken ließen sich sehr schnell lösen, indem man eine Projektion wählte, die die Situation klar darstellte.
  2. Gewünschte Zeichnungen ließen sich in kurzer Zeit und ohne großen Arbeitsaufwand erstellen.

Weiterhin wurde immer wieder klar, was für ein mächtiges Paradigma die zweidimensionale Bauzeichnung ist. Es gibt sie seit circa 500 Jahren, und die gesamte Bauindustrie verbringt (noch immer) viel Zeit damit, neuen Teilnehmern am Bauprozess (Ingenieure und Handwerker) dieses Paradigma oder diesen Code zu vermitteln. Diesen allgemein verbindlichen und verständlichen Code wirft man nicht so leicht um, zumal er auch handfeste Vorteile hat. Eine Bauzeichnung versteht man nach einigem Training beim bloßen Draufschauen – eine IFC Datei nicht.

Softwareformate wie BCF (BIM Collaboration Format) ergeben nur Sinn, wenn alle am Bau Beteiligten frühzeitig in die Planung einbezogen werden. Das setzt aber andere Verantwortungen und Interessen voraus. In der Integrierten Projektabwicklung (IPA) ist so eine frühzeitige Einbindung sicher sinnvoll, bei der Kleinheit dieses Projekts aber unrealistisch.

Am sinnvollsten scheint die Einführung von BIM im Bereich der öffentlichen Bauverwaltung zu sein. Vielleicht ist das aber auch die schwierigste Aufgabe („Das haben wir immer so gemacht“, „Das haben wir noch nie so gemacht“, „Da könnte ja jeder kommen!“). Da die öffentlichen Verwaltungen ihre Dienstleistungen als Monopolisten anbieten, sind sie keiner Konkurrenz ausgesetzt. Sie stehen nicht unter dem Druck, wirtschaftlich zu operieren.

Vielleicht ist es aber ein anderer Faktor, der die öffentlichen Verwaltungen dazu drängt, auf das Thema Automatisierung zu setzen: der zunehmende Personalmangel. Erinnern Sie sich an meine Verwunderung über die Dauer eines Genehmigungsverfahrens für ein einfaches Einfamilienhaus? Was passiert, wenn größere wirtschaftliche Einheiten bemerken, dass sie im Ausland nicht nur ein günstigeres Produktionsumfeld vorfinden, sondern auch Baugenehmigungen erheblich schneller erhalten? Vielleicht beginnt dann der eine oder andere deutsche Finanzminister, über die entgangenen Steuerzahlungen nachzudenken?

Es gibt Länder auf der Welt, in denen die arbeitsintensiven Prüfungen, die sich leicht parametrisieren lassen – z. B. Grundflächenzahl (ohne und mit Nebenflächen), Geschossflächenzahl, Abstandsflächen, Fluchtwege (Breite und Länge) oder Fensterflächen zu Raumgröße –, bereits heute vollständig automatisiert sind, zwar ohne künstliche Intelligenz, aber mit geeigneter Software. Und das Beste: Der Fehlerbericht dauert nicht 30 Tage, sondern maximal 30 Minuten und wird per Mail zugestellt. Das heißt, die zunehmend kostbare Zeit der Menschen in der Verwaltung wird für die wichtigen Arbeiten aufgespart, die sich (noch) nicht automatisieren lassen.

Fazit

Selbst wenn sich die Verwendung von BIM für den Datenaustausch bei kleinen Bauprojekten (noch) nicht lohnt, so sind die Vorteile auf der Entwurfsseite doch unübersehbar. Steigerung der Entwurfsqualität, konsistente(re) Pläne und die Fähigkeit, schnell auf individuelle Zeichnungswünsche der am Bau Beteiligten zu reagieren, sind ganz klare Pluspunkte von BIM für den Entwerfer.


Bildnachweise:
Copyright für alle Bilder im Text: Florian Techel

Haus Florian Techel, Rendering

Autor

Florian Techel

Dipl.-Ing. USA, Prof. i. R., Florian Techel ist studierter Architekt. Seit seinem Studium in den 1980er-Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der digitalen Gebäudeplanung. Dieses Wissen gab er von 1992 bis 1997 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin und im Jahr 1999 als Hochschullehrer an verschiedenen Universitäten in den Vereinigten Arabischen Emiraten weiter. Von 2020 bis 2022 überwachte er den Bau seines eigenen Einfamilienhauses mit deutlich weniger BIM als von ihm gewollt. Florian Techel ist seit 2023 Dozent und Autor bei der AGT Akademie für Gestaltung und Technologie GmbH.

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