• 06. Sep 2023
  • Lars Sörensen

BIM-konforme 3D-Modelle für das Bauen im Bestand

Aufmacherbild Fachartikel 3D-Scan

Die digitale Vermessung von Bestandsgebäuden stellt hohe Anforderungen an Technik und Software. Eine Möglichkeit, geometrisch komplexe Strukturen wie z. B. denkmalgeschützte Gebäuden detailgenauer abzubilden, bieten strukturierte Kurvennetzwerke.

Building Information Modeling zur Erstellung Digitaler Zwillinge von Bestandsgebäuden wird in der beruflichen Praxis von Vermessungsdienstleistern immer wichtiger. Während die BIM-CAD-Plattformen für Neubauprojekte in der Regel Idealgeometrien abbilden müssen, sehen die Anforderungen für Bestandsgebäude nicht nur im Bereich der Denkmalpflege oft anders aus. Historischer Gebäudebestand ist in der Regel verformt und weist Schäden auf. Die historische Ausführungsgenauigkeit lässt sich mit vorliegende Werkzeugen derzeit nur begrenzt oder mindestens nicht wirtschaftlich wiedergeben.

Die gebaute Realität ist immer Toleranzen unterlegen. Aus diesem Grund ist das Abbild der Realität bestehender Bauwerke und Objekte nur eingeschränkt durch geometrische Primitive beschreibbar. Mithilfe von Freiformflächen, die aus strukturierten Kurvennetzwerken bestehen, können verformte Objekte oder geometrisch komplexe Strukturen bei gleichzeitiger Handlichkeit der Daten besser abgebildet werden. Dabei muss der Aufbau des ausgeglichenen Kurvennetzwerks dem ursprünglichen Designkonzept der abgebildeten Geometrie folgen.

Diese Annahmen lassen sich neben der Architektur auch auf vermessungstechnische Anwendungen im Schiffbau und industrielle Bereiche übertragen.

1. Toleranzen und Qualitätsstufen

BIM-konforme Modelle für das Bauen im Bestand sollen als Digitaler Zwillinge dienen, der für die Verwaltung sowie als Planungsgrundlage für Sanierung und Umbau von Bestandsgebäuden dienen kann. Aus den unterschiedlichen Anwendungen ergeben sie verschiedene Anforderungen an die BIM-Plattformen.

Bei der Neubauplanung steht die Abbildung von Idealgeometrien im Vordergrund. Für Bestandsgebäude, unter anderem in der Denkmalpflege, geht es um die Abbildung der historischen Ausführungsgenauigkeit. Hinzu kommen eine hinreichende Verformungstreue sowie die Darstellung von Schäden.

Toleranzen

Die gebaute Realität ist Toleranzen unterlegen. Die allgemeine Vorgehensweise mit BIM-fähiger CAD-Software zur Erstellung eines digitalen Abbilds der Realität wird den Toleranzanforderungen nur im eingeschränkten Rahmen gerecht. Bauteile und Architekturobjekte werden durch extrudierte Profile sowie geometrische Primitive beschrieben. Im Ergebnis weicht das BIM-konforme Modell von der Realität ab.

Welche Genauigkeiten das Modell zu erfüllen hat, hängt sehr von der Aufgabe ab, die auf der Grundlage dieses Modells zu erledigen ist. Für die Entwurfsplanung sind die Anforderungen geringer als für die Genehmigungsplanung oder die darauf folgende Ausführungsplanung. Aber nicht nur für die Verformungstreue, auch für die Detaillierung der Modelle sollte eine Festlegung stattfinden.

Ein alternativer Lösungsweg zur Erstellung höherwertiger Modelle ist die Verwendung von NURBS und BREP.

  • NURBS: Non-Uniform Rational B-Spline
  • BREP: Boundary Representation

NURBS sind sogenannte Freiformflächen zur Abbildung von Geometrien. Ihr Aufbau erfolgt aus strukturierten Kurvennetzwerken unter Berücksichtigung der Toleranzen. Hierdurch wird die Abbildung verformter Objekte oder geometrisch komplexer Strukturen bei gleichzeitiger Handlichkeit der Daten ermöglicht. Der Aufbau eines ausgeglichenen Kurvennetzwerks sollte dem ursprünglichen Designkonzept der abgebildeten Geometrie folgen.

Sogenannte BREP bezeichnen einen durch Ebenen, geometrische Primitive und Freiformen begrenzten Volumenkörper. NURBS und BREP für BIM-konforme Modelle werden im vorgesehenen Datenaustauschformat IFC ab Version IFC4 unterstützt.

Aber auch wenn die ausreichend aktuelle Dateiversion unterstützt wird, kann es beim Modellaustausch mit IFC zu folgendem Problem kommen: Die Daten werden je nach CAD-Plattform unterschiedlich interpretiert. Im Einzelfall kann das sogar zu einer Veränderung der Objektgeometrien führen.

Qualitätsstufen für das Building Information Modeling

Es gibt unterschiedliche Ansätze, um die Qualität von 3D-Modellen zu beschreiben. Für BIM-konforme Modelle ist die Unterscheidung von Geometrie und Semantik von besonderer Bedeutung. Folgende Richtlinien und Regelwerke beschreiben unter anderem die Qualität BIM-konformer Modelle:

Die zuletzt genannte Richtlinie befindet sich noch in der Entwurfsfassung. Es gibt weitere Blätter der VDI 2552, die ebenfalls in der Entwurfsfassung vorliegen oder sich noch im Projektstadium befinden. Auf Bestandsgebäude wird im Richtlinienentwurf nicht weiter eingegangen.

Da die vorhandenen Richtlinien nicht hinreichend auf die Anforderungen für Bestandsgebäude eingehen, wende ich eine eigene Einteilung an. Diese Qualitätsstufen basieren ausschließlich auf vorhandenen Richtlinien und Standards, die in der Praxis unter anderem bei Ausschreibungen für Bestandsvermessungen Anwendung finden. Die tabellarische Einordnung von Vermessungsergebnissen in diese Übersichten ergibt sich aus den Anforderungen der Vermessungsaufgaben und erfolgt im Dialog mit den Projektpartnern und Auftraggebern.

Die seit 2005 aufgebaute und im Zuge neuer Anwendungen weiterentwickelte tabellarische Übersicht wurde inzwischen mehrfach veröffentlicht und als Grundlage für das Kapitel 5 – Bestandsvermessung – in den Baufachlichen Richtlinien Vermessung des Bundesministeriums verwendet. Das Tabellenwerk basiert auf folgenden Normen und Richtlinien:

Auf dieser Grundlage erfolgt eine Einordnung von Vermessungsergebnissen in Qualitätsstufen, in der auch die Zuordnung BIM-konformer Modelle möglich ist.

Tabelle mit Qualitätsstufen für Vermessungsergebnisse
Abb. 1: Qualitätsstufen für Vermessungsergebnisse, BIM-Anwendungen

Der Richtlinienentwurf VDI 2552 Blatt 1 beschreibt mit dem Level of Development die Fertigstellungsgrade des Digitalen Zwillings der gebauten Realität. Hierbei erfolgt eine Gliederung in 5 Stufen (LOD 100 bis 500).

Der LOD gliedert sich in den LOG 100 bis 500. Dieser Level of Geometry bezeichnet den Detaillierungsgrad der Architekturobjekte, und der Level of Information (LOI) beschreibt die Informationsdichte der Objekte. Der LOD mit seinem LOG und LOI wird den Leistungsphasen des Bauvorhabens gemäß Honorarordnung für Architekten und Ingenieure zugeordnet.

Projektinformationsmodell aus VDI 2552 Blatt 1
Abb. 2: Projektinformationsmodell aus VDI 2552 Blatt 1

Die geometrische und semantische Informationsdichte wachsen mit dem Fertigstellungsgrad, können aber unabhängig voneinander weiter erhöht werden.

2. Potentiale und Grenzen BIM-konformer Modelle

Für Neubauvorhaben ist BIM ein Verfahren, das nicht nur Einzug in die Praxis gehalten hat, sondern sich bereits bewähren konnte. Aus Sicht vieler Architekten ergeben sich allerdings Einschränkungen in der Gestaltungsfreiheit der Architektur, da diese sehr von den verfügbaren CAD-Werkzeugen abhängt.

Gleichzeitig findet eine zunehmende Ausrichtung der BIM-CAD-Plattformen auf die Bauindustrie statt. Von der Idee her soll man sich sein Gebäude aus den verfügbaren Bauteilbibliotheken zusammenklicken können. Handwerkliche oder architektonisch anspruchsvollere Lösungen bleiben nach Meinung vieler Planer mit den BIM-Werkzeugkästen außen vor. Anpassbare Sonderlösungen und Lösungen für Bestandsgebäude kommen in den Werkzeugkästen kaum vor.

Eine technologische Hürde besteht zur Zeit noch darin, dass nicht alle Plattformhersteller das Datenaustauschformat IFC in gleicher Art und Weise unterstützen. Von IFC-Version 2.3 bis 4.2 kommen in aktueller Software unterschiedliche Versionen vor. Darüber hinaus wird selbst bei Unterstützung identischer IFC-Versionen das Format nicht immer gleich geschrieben oder beim Einlesen interpretiert.

Somit funktioniert der fehlerfreie Datenaustausch aller am Bau beteiligten Fachplaner und Gewerke über IFC nur dann problemlos und fehlerfrei, wenn man die CAD-Plattform nicht verlässt.

Es fehlt also an einer eindeutigen und einheitlichen Interpretation von IFC. Hierfür wäre ein einheitlicher und – wenn möglich – offener BIM-Server für den Datenaustausch zwischen allen vorhandenen Plattformen und Anwendungen die Grundvoraussetzung. Einer der vorhandenen Lösungsansätze ist der Open-BIM-Server als freie und von Softwareherstellern unabhängige Datenplattform.

Grenzen für das Bauen im Bestand

Für das Bauen im Bestand erweisen sich viele BIM-Softwarelösungen als unflexibel. Sobald man kein regelmäßiges und unverformtes Gebäude vorfindet, ist die Erstellung hinreichend verformungstreuer und detaillierter Bestandsmodelle entweder unwirtschaftlich oder gar nicht lösbar. In der Praxis werden stärker generalisierte Modelle erstellt, die in der Regel zwar noch die Anforderungen an die Entwurfsplanung erfüllen, aber für die Ausführungsplanung unzureichend sind.

Bei historischen und verformten Bauwerken haben wir in unserem Büro einen Lösungsweg erarbeitet, der den Aufbau der Architekturobjekte mit Extrusionen aus Kurven in Kombination mit Freiformflächen verfolgt. Hier werden zum Teil Werkzeuge des Reverse Engineering sowie Design- und BIM-Werkzeuge miteinander kombiniert.

Bei Monumental- und Sakralbauten kommen zu den verformten Oberflächen noch Sonderkonstruktionen wie Gewölbe, gewendelte Treppenanlagen, profilierte Stützen, aufwendige und unregelmäßige Fenster sowie Bauschmuck hinzu. Während sich Gewölbe als von vornherein gekrümmte Flächen noch mit Kurvennetzwerken abbilden lassen, bedarf es bei Bauschmuck anderer Lösungen.

In vielen Fällen werden anpassbare Bibliothekselemente speziell für ein Bauwerk aufgebaut und programmiert. Das ist ein gängiger Weg in Plattformen wie Allplan, ArchiCad oder Revit. Die Bibliothekselemente und andere Sonderobjekte sind aber oft nicht IFC-kompatibel.

Der erarbeitete Lösungsansatz besteht in einem freien Aufbau der Geometrien und der nachträglichen BIM-konformen Attributierung. Damit ist man nicht mehr von den allgemeinen BIM-Werkzeugen abhängig. Der wesentliche Nachteil besteht darin, dass dieser Weg in den meisten Fällen noch nicht wirtschaftlich umsetzbar ist. Zur Automatisierung wird die Parametrisierung der Flächenrückführung zur parametrischen Beschreibung von Bauschmuck, Maßwerken oder Gewölben angestrebt.

3. Ablauf zur Erstellung eines BIM-konformen Modells

Die Auswahl der Softwareplattform legt in vielen Fällen durch die Beschränkung auf vorhandene Werkzeuge den Weg der Auswertung von der Punktwolke zum fertigen BIM fest. Flexibler ist man nur mit einer offeneren Softwarelösung, die nicht zur proprietären IFC-kompatiblen Software zählt. Beispielhaft zu benennen ist hier Rhinoceros mit seinem BIM-Plugin VisualArq.

Auf dieser Grundlage lassen sich nicht nur beliebige andere Plugins in einer Plattform verwenden. Es gibt auch eine Schnittstelle für Visual Scripting mit Grasshopper oder zum freien Programmieren. Hierdurch lassen sich vorhandene Werkzeuge anpassen oder gänzlich neue Tools entwickeln, ohne an eine feste Plattform gebunden zu sein. Auch das Schreiben von IFC und damit die Unterstützung unterschiedlicher BIM-Server läuft hier flexibler und reibungsfreier ab.

Im übrigen kann bereits die Auswahl der Laserscanner und der mitgelieferten Herstellersoftware den Weg der folgenden Auswertung festlegen und in Teilen einschränken. Auch hier ist eine Software, in der Formate möglichst vieler Gerätehersteller verarbeitet werden können, von Vorteil. Auch wird die Auswertung flexibler, wenn für die Punktwolken Schnittstellen in verschiedene CAD-Systeme zur Verfügung stehen. Ein Beispiel hierfür ist das Programm LupoScan.

Die folgende Grafik stellt einen flexiblen Weg zur BIM-Erstellung exemplarisch und im Vergleich zur herkömmlichen Vorgehensweise dar:

Organigramm zur Erstellung eines BIM-konformen Bestandsmodells
Abb. 3: Organigramm zur Erstellung eines BIM-konformen Bestandsmodells. Bildnachweis: Lars Sörensen

Fallbeispiel Kaiser-Wilhelm-Kirche in Bad Ems

Am Beispiel der Kaiser-Wilhelm-Kirche in Bad Ems haben wir den Weg zur Erstellung eines Modells für die BIM-basierte Planung nach der erarbeiteten Vorgehensweise durchgeführt. Das Modell erfüllt den LOD 300, was ungefähr der Genauigkeitsstufe II-III gemäß Empfehlungen für Baudokumentationen entspricht (siehe Abbildung 1). Es ist hinreichend verformungsgetreu, wobei der Bauschmuck generalisiert wurde.

Dazu muss man sagen, dass als Grundlage für die Schadenskartierung Bildpläne im Maßstab 1:25 mit einer Auflösung von 400 dpi erstellt wurden. Für die Darstellung anderer relevanter Details liegen Puntkwolkenorthofotos und verformungsgetreue CAD-Zeichnungen vor.

BIM mit LOD 300 genügt den Anforderungen in der Denkmalpflege bei weitem nicht vollständig. Eine höhere Qualitätsstufe wäre jedoch für eine Kirche nicht ohne sehr hohen Aufwand erstellbar.

BIM (Scan3D GmbH) und Bildplan (fokus GmbH Leipzig)
Abb. 4: BIM (links, Scan3D GmbH) und Bildplan (rechts, fokus GmbH Leipzig)

Parallel zur Bearbeitung der Kirche wurde die parametrische Modellierung eines Baldachins mit Kreuzblume auf Grundlage eines Detailscans durchgeführt, um den Ansatz der BIM-konformen Attributierung eines Bauschmuckmodells zu erproben.

Parametrische Rekonstruktion einer Kreuzblume von St. Matthias Berlin (Prof. Daniel Lordick), Punktwolke und Mesh (Scan3D GmbH)
Abb. 5: Links: Parametrische Rekonstruktion einer Kreuzblume von St. Matthias Berlin (Prof. Daniel Lordick), rechts: Punktwolke und Mesh (Scan3D GmbH)

Das parametrische Modell (links) lässt sich in BIM einbinden und attributieren.

4. Fazit

Eine Grundvoraussetzung für die ausreichende geometrische und inhaltliche Qualität von Bestandsmodellen besteht zum einen in der Anpassung von Genauigkeit und Detaillierung an die Planungsaufgaben und Leistungsphasen des Bauvorhabens im Bestand. Zum anderen muss die Festlegung der Qualität des Vermessungsergebnisses im Dialog mit Fachplanern und Auftraggebern erfolgen. Ohne die Grundlage eines nachvollziehbaren Qualitätsstandards bleibt dies allerdings schwierig. Der flexible Einsatz unterschiedlicher Hard- und Software ist eine weitere Grundvoraussetzung.

Ein reibungsfreier Datenaustausch – der einheitliche Ex- und Import des Austauschformats IFC – wird erst dann möglich sein, wenn entweder alle Softwarehersteller dazu verpflichtet werden oder wenn anstelle der proprietären Plattformen ein Open BIM Server als einheitliche und offene Lösung zur Verfügung steht.

Zumindestens für Monumental- und Sakralbauten scheint gegenwärtig die Kombination von BIM nicht höher als LOD 200-300 und zusätzlichen Dokumentationsergebnissen der gangbare Weg zu sein. Unser Projektteam etabliert derzeit ein FuE-Projekt zur Umsetzung der vorhandenen Lösungsansätze. Wichtigstes Ziel bleibt hierbei der Aufbau verformungsgetreuer und IFC-konformer Bestandsmodelle.


Literatur

  • BIM-Leitfaden für Deutschland; Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), November 2013
  • VDI 2552 Blatt 1, Entwurfsfassung, Juni 2019, Grundlagen für das Building Information Modeling

Bildnachweis für Aufmacherbild: Jasmin/stock.adobe.com

Der Artikel ist zuerst in der Zeitschrift Denkmalsanierung, Ausgabe 2023/2024, erschienen.

Aufmacherbild Fachartikel 3D-Scan

Autor

Autorenfoto Lars Sörensen

Lars Sörensen ist Zimmermann, Dipl.-Ing. Architektur und Beratender Ingenieur mit dem Schwerpunkt Bauen im Bestand. Seit 2005 ist er als Gründer und Geschäftsführer für die Scan3D GmbH tätig. Bildcredit: Lutz Roeßler

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